Rendezvous avec Picasso

Dahkla – Lagune – 50km nach Abzweigung Richtung Mauretanien – 100km vor Bir Gadouz – Bir Gadouz – ca.3km nach der Mauretanischen Grenze – Nouadhibou – Eisenerzzug – Choum – Atar – Chinguetti – Atar – Wüste – bei Ahmed,Oasis – Wüste – Wüste – Atar – irgendwo – Akjuit – irgendwo – Nouakchott – 67km nach Nouakchott – 20km vor Tinguent – vor Keur Macène – Parc National du Diawling – Saint-Louis – Zebrabar – nach Potou – chez Mousa Plage M’Boro – Campement vor Dakar – DAKAR – Der Himmel greift nach der Erde - Der Anti Atlas hat sich endgültig verkrümmelt  - Nachts rollen die Trucks die Avocados in den ausgetrockneten Süden

Ein Mann kommt auf uns zu. Es ist Picasso. Er lädt uns zu sich ins Atelier ein. Wir trinken Tee. Picasso? Ja, das ist mein Geburtsname und der andere, der in Europa, war der beste Maler, ever.

Wir fliegen.

Der Wind wird unser guter Freund. Wir fahren ohne grosse Anstrengung mit 30km der mauretanischen Grenze entgegen. Wir sehen unseren Weg kilometerweit vor uns und in der Ebene die Sonne auf- und untergehen. Mittags rasten wir für mehrere Stunden, finden hinter einem Felsen oder einem einzigen Busch etwas Schatten. Kochen, schlafen, lesen, zeichnen und schreiben während von den nahen Sanddünen ein heisser Wind über uns bläst. Am späteren Nachmittag freuen wir uns über die Gewissheit, dass die Sonne untergehen und die Nacht kühler sein wird.

In der Weite, durch welche Sandwolken und kleine Tornados ziehen, tauchen Hütten, Unterstände und Zelte auf. Hellviolett, hellgrün, hellblau und gelb sind die Farben der Zeltspitzen, Türentücher und Fenstervorhänge. Die Landschaft ist so grossartig, dass meine Zeichnungen Miniaturen werden. Ich zeichne dokumentarisch. Das, was mir gerade vor die Augen kommt. Dromedare, den Verschluss einer Satteltasche, den Baumstamm, der uns Schatten gibt, Stoffmuster. Mit Aquarellfarben präzisiere ich die Zeichnung.

Die Aires de Repos stinken immer nach Fisch.

Das digital Wunderbare ist immer schneller

als das tatsächlich Gebaute.

Marokko raucht im Tankstellencafé für einen Sieg.

Nouadhibou Mauretanien

Tiefe Querrillen in der Strasse kosten mich zwei Speichen. Alteisen lagert verölt, in verschiedenen Rosttönen und in grossen Lachen am Strassenrand. Überall Sand, in dem wir herumschwenken. Nur die Hauptstrasse ist geteert, die abzweigenden Strassen sind Pisten, starker Wind und Sand in der Luft. Der Wind ist gut, sagt eine der Leiterinnen des Waisenhauses. Der Wind und die Sonne schützen uns vor den Keimen der Müllhalden. Der Zustand der Wagen spottet jeglicher Beschreibung. Zu siebt in ein Taxi gepresst, dessen Räder in verschiedene Richtungen zeigen, total verschrammte Karosserien, Rücklichter, die fehlen oder am Boden schleifen. Die Autos parken mitten auf der Strasse, dann quetschen sich Eselkarren, Motorräder und mobile Händler:innen, 40 Brote auf dem Kopf, vorbei. Immer ist Markttag und die Strasse die erweiterte Ladenfläche. Und im grössten Chaos, im Müll und Dreck sind Kinder, die nach Essbarem suchen oder mit herumliegenden Pneus spielen und ihre Tage verbringen. Vor uns kauft einer eine halbe Ziege, wir warten. Meki muschkil, kein Problem. Die Dichte der Aktionen ist unüberschaubar. Nach all den Städten, in denen wir waren, schockt uns Nouadhibou.

Nouadhibou - Choum

Es gibt einen Zug, der von den Eisenerz Minen im Norden Mauretaniens in die Hafenstadt Nouadhibou fährt. Es ist der längste Zug der Welt! Voll beladen ist er bis 2.5 km lang. 4 Lokomotiven ziehen dann die Ladung. Wir besteigen den Zug in umgekehrter Richtung, von der Hafenstadt nach Choum, einem Wüstendorf in der Hälfte der Strecke. In die drei Meter hohen, jetzt leeren Waggons, hieven wir unsere Fahrräder und das Gepäck mit Hilfe eines Offiziers, der auf einem chinesischen Fischtrawler vor der Küste arbeitet und jetzt nach Hause fährt. Wir sind mächtig froh, in dem Waggon zu sein und 300 km in den mauretanischen Norden gefahren zu werden. Im Mondlicht sehen wir uns von einer grauen Schicht Eisenstaub überzogen. Wir liegen auf dem Boden. Aufeinander prallendes Eisen gibt die Wucht und das Kreischen unmittelbar an den Körper weiter und wir sind verbunden mit der Kraft der Eisenmassen und wohnen in einer riesigen Kesselpauke.

Atar

Für vier Tage fallen wir aus der Zeit. Wir übergeben unsere Reise einem Guide und einem Dromedarhirten. Wir wandern durch Stein-, Strauch- und Sandwüste. Immer, wenn wir mittags oder abends ankommen, ist der Hirte mit den Dromedaren schon da, trägt hoch über seinem Kopf ein Bündel Akazienholz, macht Feuer und bereitet Tee. Während wir gehen, sehen wir die hohe, hagere Gestalt des Hirten am Horizont, die Dromedare führend, in einen sandfarbenen Umhang gehüllt, andere Wege gehend, schnellere. Wir durchstreifen Oasen, unvermittelt Grün vor orangerotem Sand, in kühlerer Luft und unter Datteln und Tauben, die anders rufen, baden in einem tiefen See, bekommen eine Cola und nachts liegen wir unter dem unermesslichen Sternenhimmel.

Wenn nur ein Muezzin ruft, entsteht eine zarte und suchende Tonspur,  kaum hörbar, wie hinter den Dingen lebend, fast mystisch. Dagegen scheint uns das mehrmals tägliche Gebrüll Allahu Akbar, es gibt nur einen Gott, als kein gangbarer Weg.

Mauretanischer Grenzposten

Der junge mauretanische Grenzpolizist sagt beim Öffnen des Schlagbaums: Madame, un cadeau pour la police?

Saint-Louis Senegal

Der grüne Fluss, ein Seitenarm des Senegalflusses, farbige Piroggen, die ein- und ausfahren, manche mit 25 Menschen beladen, Fahnen flattern und die Ausfahrenden stehen kerzengerade auf ihren Booten. Stolze Fahrten in die offene See. So erleben wir das vom Balkon des Hotels, in dem wir wohnen.

Doch behind the curtain:

An der Grenze Mauretanien / Senegal wurden grosse Gasvorkommen entdeckt. Die Ausbeutung läuft unter Führung von BP. Mauretanien bekommt 20%, Senegal etwas mehr vom Gewinn. Die Plattform liegt in der Ein - und Ausfahrt der Fischer von Saint-Louis. Die senegalesische Regierung verbot den Fischern von einem Tag auf den anderen das Fischen in weiten Gebieten vor der Küste zum Schutz der Offshore Infrastruktur. Ein existenzbedrohender Einschnitt für sämtliche Fischer der Region. Das grosse Geld werden sie nie zu Gesicht bekommen.

Was kriegen wir dafür? fragt einer der Fischer von Saint-Louis. Einen Krankenwagen, der wegen der engen Gassen in dem überbevölkerten Fischerdorf nicht fahren kann. Er steht unbenützt in einem Verschlag. Tonnen von anlandendem Fisch werden entweder gleich weiterverarbeitet oder in Kühllastwagen verladen. Inmitten der Fischverarbeitung liegt eine Gebärstation. Eine frühere Schule ist durch den ansteigenden Meeresspiegel zerstört worden und wird nicht wieder aufgebaut.

Mein Sohn, sagt der Fischer, wird nicht Fischer. Das hat keine Zukunft. Ich will, dass er in die Schule geht. Ein mauretanischer Bauingenieur sagt, ich bin stolz, mithelfen zu können, für mein Land die Gasvorkommen auszubeuten.

Was ist dabei, wenn ich Mandarinen kaufe und fünf Kinder stehen hinter mir und wollen auch was.  Kaufe ich auch für sie Mandarinen. Wie ich mir, so ich euch.

Ich zeichne, während Kinder um mich herum stehen und ein Händler mit Armreifen mich anspricht. Der Wunsch, eine Frau mit grosser Last auf dem Kopf, eine Dattelpalme dahinter und dahinter ein blaues offenes Fenster zu zeichnen, muss warten. Jetzt beginnt das Gespräch.

Wer den gesellschaftlichen Aufstieg im Senegal will, muss Französisch sprechen und nicht Wolof. Ich hoffe, dass sich Afrika in fünf Jahren so entwickelt hat, dass die Europäer:innen hierher kommen und uns um Arbeit bitten, sagt ein junger Mann, der sich zum Thema what about Senegal in Rage redet.

Achim Schroeteler